2020 – Journalistin, Moldawien

Was Alina Radu über sich selbst sagt:

«Ich bin seit 30 Jahren Journalistin, seit 20 Jahren investigative Journalistin und führe seit ihrer Entstehung im Jahre 2004, zusammen mit einem jungen Team, die Zeitung «Ziarul de Garda» (Beschützer Zeitung).

Während diesen über 15 Jahren kümmerten wir uns um die wichtigsten Aspekte des Journalismus:
Korruption, Ungerechtigkeit, Oligarchismus, Unterdrückung durch das Regime und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen im ärmsten Land Europas: Moldawien.

Auswirkungen 
Es gab grosse Erfolge und erhebliche Auswirkungen aufgrund unserer Arbeit: Viele korrupte hohe Beamte mussten zurücktreten, inklusive Richter, Staatsanwälte, Mitglieder des Parlaments oder Gouverneure. Der einzige moldawische Premierminister, der je zurücktrat, tat dies aufgrund eines Berichtes der “Ziarul de Garda”.

Andererseits hat unser Team vielen Leuten geholfen, damit ihre Menschenrechte gewahrt wurden. Wir halfen Frauen, Menschen, die einer Minderheit angehörten, Armen, Behinderten und MigrantInneen ihre Probleme zu lösen und gaben ihnen Mut und eine Perspektive. Aufgrund der vielen Anfragen haben wir kürzlich ein Rechtsberatungsbüro eröffnet, welches Menschen kostenlos unterstützt.

Schicksale, die sich beispielsweise in einer Woche ereignen und welche sich durch unsere Unterstützung zum Besseren wenden, bspw.:

  • Einem blinden Jungen, welcher allein und in extremer Armut lebte, wurde nach unserer Geschichte von der Öffentlichkeit geholfen.
  • Eine alte Frau erhielt ihr Recht, nachdem sie willkürlich von der Polizei verhaftet und bestraft wurde.
  • Eine obdachlose Familie hat eine Bleibe gefunden.

Probleme
Unser Job ist in jeder Hinsicht schwierig. Vor allem auch hinsichtlich der Finanzierung. Investigativer Journalismus ist sehr kostspielig, da wir jedoch für arme Menschen einstehen und ihnen kostenlos helfen, sind wir dringend auf internationale Unterstützung angewiesen. Dazu gehören europäische und US Botschaften, internationale Medien, Organisationen für Freiheit und Demokratie wie z.B. Internews, ICFJ.

Risiken
Zugang zu Informationen:
Korrupte Regierungen verbergen immer Informationen. Wir müssen jede Woche mehrmals anfragen. Und falls Antworten kommen, dann oft nach vielen Wochen. Auch muss dafür bezahlt werden – für ein armes Medienunternehmen in einem armen Land ist dies ein grosses Problem.

Klagen gegen uns
Unsere Zeitung hatte während den über 15 Jahren die meisten Klagen aller Medienschaffenden im Land abzuwenden. Die Kläger waren allesamt offizielle Regierungsmitarbeitende, welche nicht erfreut waren, dass wir ihre korrupten und illegalen Machenschaften ans Licht brachten. Wir haben bis jetzt noch jeden Fall gewinnen können, aber es kostete uns jeweils viel Energie, Engagement und Geld. Die finanziellen Klagen sind stets in einer Höhe, welche unsere Zeitung bei einer allfälligen Niederlage vor Gericht in den Ruin treiben würde. Dieses Jahr stellen wir uns der grössten Herausforderung, welche wir in den 15 Jahren je hatten, da wir vom Präsidenten höchstpersönlich angeklagt wurden. Die Eröffnung des Verfahrens beginnt am 19. Mai 2020.

Anonyme Netzattacken
Diese gehören zum Alltag, jede Woche, mehrmals die Woche. Nach so vielen Attacken hat uns kein moldawischer Netzprovider mehr akzeptiert, so dass wir unseren Server im Ausland installieren mussten. Aber auch da sind wir unter permanenten Attacken ausgesetzt. Die Hackerangriffe kosten viel Geld und Zeit, weil viele unserer Beiträge torpediert werden, damit diese nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Online Hassattacken gegen mich
Es gibt Hunderte von falschen Accounts von mir in den Sozialen Medien. Diese sagen zum Beispiel aus, ich sei fett und ich verdiene es nicht als Journalistin zu arbeiten. Ich sei eine weibliche Gefahr für die Öffentlichkeit. Sie publizieren meine Wohnadresse, schreiben, sie wissen jetzt wo ich wohne, es werde bald etwas mit mir passieren, sie verfolgen mich, demolieren mein Auto, das Auto meines Sohnes oder schreiben “Nettigkeiten” an mein Auto. Die Polizei fühlt sich dafür nicht zuständig. Sie steckt mit den Politikern unter einer Decke.

Letzte Woche haben dem Präsidenten nahe Medienunternehmen das Gerücht verbreitet, ich hätte einen Reporter gezwungen, Falschmeldungen zu publizieren. Auf Facebook haben sich daraufhin Vertreter der Regierungspartei geäussert, dass unsere Zeitung geschlossen werden sollte, auch meine Konten oder ich… ! Solche Dinge passieren leider immer mehr.

Das Gute ist, diese Meldungen entsprechen alle nicht der Wahrheit, sie sind nicht korrekt. Und wenn du weisst, dass du Gutes tust im Interesse der Öffentlichkeit und den Menschenrechten, fühlst du dich stark, aber es braucht so viel Zeit, so viel Energie aufrecht mit beiden Füssen auf dem Boden weiter zu machen.»

Frau Alina Radu – eine würdige Preisträgerin

Nach diesen eindrücklichen Worten aus der Feder von Frau Radu selbst, fällt es schwer, sich vorzustellen, was es bedeutet, unter diesen Umständen investigativen Journalismus zu betreiben. Es scheint ihr Mut wird nur noch durch den unerschütterlichen Glauben, dass sich ihr Einsatz für Bedürftige lohnt, übertroffen. Alina Radu und ihr Team stellen sich Tag für Tag den Herausforderungen und den Gefahren, welche überall lauern. Und es scheint nicht umsonst. Die Erfolge, welche sie eingangs ihres Berichts schildert zeigen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung hinter ihr und ihrem Team steht und dass diese weiterhin sensibilisiert werden muss. Staatliche Willkür und Korruption darf sich in diesem Land nicht noch weiter ausbreiten. Dafür braucht es Menschen wie Alina Radu – und sie und ihr Team unsere Unterstützung und unseren grössten Respekt.